Bahnhofstr. 46 – Familie Hugo Lindenberg

Bahnhofstr. 46 – Familie Hugo Lindenberg

  • Hugo Lindenberg
  • Meta Lindenberg geb. Karger
  • Hans Lindenberg
  • Günther Lindenberg

Hugo Lindenberg war der zweitjüngste Sohn von Salomon Lindenberg und seiner ersten Frau Caroline (geb. Wolfers). Er und seine Zwillingsschwester Clara Lindenberg wurden am 12.11.1878 geboren. Nachdem der Vater Salomon sich aus dem aktiven Geschäftsleben zurück gezogen hatte, war Hugo gemeinsam mit seinem älteren Bruder Richard Geschäftsführer der Firma S. Lindenberg im alten Lindenberg’schen Geschäfthaus in der Bahnhofstr 53 (alte Gebäudenummer 63). Eventuell betrieben sie auch gemeinsam die Firma Gebrüder Lindenberg für Putz-, Mode-, Woll- und Weisswaren, die im Bremer Adressbuch vor 1904 in der Waller Chaussee 41 gemeldet war.

Hugo war schon einmal als junger Mann verlobt, aber die Hochzeit kam nicht zustande. Seine Zwillingsschwester Clara hatte inzwischen in die USA geheiratet. Im Jahr 1925, im Alter von 47 Jahren, lernte Hugo, wohl über Geschäftskontakte, seine spätere Ehefrau Meta Karger (*09.05.1894) kennen, die aus einer Textilhandelsfamilie aus Hamburg stammte. Die Kargers waren aus Westpreußen nach Norddeutschland gekommen. Metas Brüder Isidor und Jack betrieben  Textilwarengeschäfte  am Steindamm und am Grindel. 1)

Manufakturwarengeschäft „Hugo Lindenberg“, 1920er Jahre 2)

Hugo und Meta heirateten 1926 und Hugo öffnete 1927/1928 ein eigenes Geschäft „Hugo Lindenberg“ in der Bahnhofstrasse 65, wo auch die Söhne Günther (*1927) und Hans (*1930) geboren wurden. Hier vertrieb die Familie unter anderem Textilien und Nähmaschinen. 

Hugo scheint bei den Nachbarn beliebt gewesen zu sein. Meta schrieb 1948, kurz nach Hugos Tod, von Argentinien nach Vilsen: 3)

… ich weiss dass Sie auch den lb. Hugo sehr schätzten und genau so war es hier in der Colonie, da war er mit Allen gut Freund und sehr geachtet.

Kaffeklatsch im Garten: Meta (2. v. links), Hugo (5. v. links) mit Kindern und Besuch, ca. 1930 4)

Doch die Kindheit der Jungen wurde durch den Aufstieg der Nationalsozialisten überschattet. Auch als alter Mann wollte Hans Lindenberg kaum über seine Kindheit in Vilsen sprechen, aber er berichtete seinem Enkel Ezequiel, dass seine Schulkameraden und ehemaligen Freunde versucht hatten, ihn auf dem Nachhauseweg in einem zugefrorenen See zu ertränken, weil er jüdisch war. 5)

Hugo mit den Jungs im Garten, um 1933.6)

Als ehemaliger Frontkämpfer des 1. Weltkriegs wurde Hugo wahrscheinlich in den ersten Jahren des Nationalsozialismus von den anti-jüdischen Gesetzen etwas weniger hart getroffen. 1935 erhielt er noch, wie unzählige andere jüdische Veteranen das Eiserne Kreuz, dessen Verleihung eine wichtige Schutzfunktion hatte, aber auf die Empfänger im Rückblick auch zynisch gewirkt haben muss. 7)

1936 war die Familie in der Bahnhofstr. 46 gemeldet, aber kurz vor der Emigration im Jahr 1938 scheinen sie übergangsweise im Lindenberg’schen Geschäftshaus in der Bahnhofstr. 53 gewohnt zu haben. 8)

Passfotos von Meta Lindenberg und ihren Söhnen, um 1938. 9)

Am 27. Juni 1938 bestiegen sie zusammen mit der Familie von Metas Bruder Jack in Hamburg das Schiff  General Osorio, um nach Argentinien auszuwandern. 10)

Die Lindenbergs und die Kargers auf der Überfahrt nach Argentinien, 1938. 11)

Eine Auswanderung in die USA war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich, trotz der dort wohnenden Verwandten, die eine Bürgschaft hätten übernehmen können. Argentinien gehörte zu den wenigen Ländern, die überhaupt noch jüdische Flüchtlinge aufnahmen. Die Lindenbergs und Kargers kamen in der Provinz Entre Rios in Alcaraz unter, wo im 19. Jahrhundert der jüdische Philantrop Baron de Hirsch Siedlungsprojekte für Emigranten angelegt hatte. 12)

Metas Bruder Isidor konnte Deutschland nicht mehr verlassen, er wurde im KZ Flossenbürg ermordet. Ihr Bruder Max starb kurz nach seiner Flucht im Shanghaier Ghetto, ihre Schwestern Natalie und Martha gelten als verschollen. Für Isidor Karger wurde in Hamburg ein Stolperstein verlegt. 13)

Meta und Hans Lindenberg in Argentinien, um 1946. 14)

 

References

References
1 Mitteilung Familie Lindenberg (Argentinien)
2 Bildrecht Familie Lindenberg (Argentinien)
3 GemA BVI, 20 Bruchhausen-Vilsen, 20.132.06
4 Bildrecht Familie Lindenberg (Argentinien)
5 Mitteilung Familie Lindenberg (Argentinien)
6 Bildrecht Familie Lindenberg (Argentinien)
7 Mitteilung Familie Lindenberg (Argentinien)
8 Meldekarten, Samtgemeindearchiv Bruchhausen-Vilsen
9 Bildrecht Familie Lindenberg (Argentinien)
10 Mitteilung Familie Lindenberg (Argentinien)
11 Bildrecht Familie Lindenberg (Argentinien)
12 Mitteilung Familie Lindenberg (Argentinien)
13 https://www.stolpersteine-hamburg.de/index.php?MAIN_ID=7&BIO_ID=1298
14 Bildrecht Familie Lindenberg (Argentinien)